Alles ist möglich …

 

 

Zwei livrierte junge Männer fassen den schweren Vorhang und ziehen ihn zur Seite. Der Stoff liegt in üppigen Falten, als er mit Kordeln am Rand der Manege festgebunden wird. Zirkuszeit.

 

Paul schließt die Augen. Das blaurote Zelt ist rappelvoll. Er hört die Unruhe auf den Holzbänken, Kinderfüße die scharren. Er sieht auch die Erwachsenen, die mit einem Mal alle Vernunft ausschalten und sich in ihre Kindheit zurückfallen lassen, sich darauf besinnen, wie es ist, einfach nur zu staunen und zu genießen. Bestimmt dreihundert Menschen wollen dem Alltag entfliehen.

 

Der junge Direktor ist dankbar über diese Möglichkeit, endlich wieder atmen und aus dieser zuletzt radikal eingeschränkten Gegenwart ausbrechen zu können. Heute kann er das tun, was er liebt. Seinen Zirkusgästen ein besonderes Erlebnis bieten.

 

Hinter dem Vorhang verstecken sich die Clowns, die Artisten, die Affen und Löwen. Sie alle fiebern dieser Premiere entgegen.

 

Mit seiner Online-Vorstellung wird er es schaffen, Grenzen zu überwinden, die sich zwischen den Ländern und in den Köpfen aufgetan haben. Auch wenn er für seinen Zirkus Sandini auf diese Art keine Einnahmen generiert, verschafft es ihm ein gutes Gefühl. Beizutragen, dass jeder für sich die Möglichkeit hat, mitzuwirken und niemals vorschnell aufzugeben.

 

Während er den auf Abstand agierenden Clowns und danach dem Dompteur bei seiner Arbeit mit den Tigern zusieht, fällt ihm gar nicht mehr richtig auf, dass die roten Sitzschalen auf den Rängen unbesetzt sind.

 

Dass lediglich große Kameras das Treiben in der Manege einfangen und den Zuschauern zu Hause vor den Bildschirmen erlauben, von einer Welt zu träumen, die nicht von einem winzigen, unscheinbaren Virus beherrscht wird.

 

Der Schlussapplaus ist echt.