Die Schreibanregung versteckt sich in den fett gedruckten Wörtern, die in diese SpontanGeschichte mit maximal 5.000 Zeichen eingebaut werden mussten.

 

Wortspiel mit Glitzer

 

Missmutig und mit Schwung trat Karl vor die klemmende Holztür. So ein blödes Teil! Dabei war es seine eigene Schuld. Er hatte schon wieder vergessen, Öl zu kaufen, um das Türschloss gängig zu machen. Er ruckelte an der Klinke, die seinem hartnäckigen Bemühen endlich nachgab. Ging doch! Er hakte die geöffnete Tür an der Seite der Hütte ein. Wie oft hatte er schon erlebt, dass ihm die Tür in den Rücken gefallen war, wenn er sich gerade gebückt hatte, um etwas dort heraus zu holen.

Jetzt griff er sich den Laubrechen und ging zur Ecke des riesigen Grundstücks der Single – Familie Blatter. Neu – Single – Familie wohlgemerkt. Irgendwie tat ihm Axel Blatter leid. Oder hatte er es verdient, dass ihn seine Holde so schmählich sitzen ließ mit dem jugendlichen Sohn? Kurt konnte sich nicht recht vorstellen, dass der Hausherr den Jungen wirklich vermisste. Bernd war ein echter Stubenhocker gewesen. Zockerspiele, vermülltes Zimmer. Duschen nur, wenn unbedingt nötig.

Er wechselte den Rechen von der linken in die rechte Hand und harkte akribisch jedes Blättchen von der Wiese. Das war doch Natur und zudem gut für den Boden, wenn nicht alles entfernt wurde. Aber was Herr Blatter wünschte, würde er ausführen. Schließlich wurde er dafür bezahlt. Nicht gut, aber immerhin. Er hatte auch damit aufgehört, sich Gedanken darum zu machen, warum dessen Gattin das Weite gesucht hatte. Aber die Laune seines Arbeitgebers hatte sich seitdem nicht gebessert. Seine eigene auch nicht. Frau Blatter war so eine symphatische, natürliche Person gewesen, aber wahrscheinlich war genau das der Grund für ihre Abwesenheit. Er mochte sie. In den letzten Tagen hatte er überlegt, dass es sogar sein konnte, dass sie nicht unschuldig daran war, warum er es schon so lange auf dem Anwesen ausgehalten hatte.

So manches Mal hatte er ihr über die Schulter geschaut, wenn sie nach Feierabend die grünen und roten Früchte des Gartens, die Kräuter und die mit Liebe gezüchteten Gemüsesorten verwandelte. In herrliches Pesto. In Kräuteröle, in frische Salate. In Marmeladen und Gelees. In Hülle und Fülle stand dieses köstliche Vermächtnis nun im Vorratskeller des Blatterschen Hauses. Die Dame aber war – wie auch der Bengel - wie von Zauber Hand verschwunden.

Kurt sah auf die Uhr. Bereits 18.35 Uhr. Heute würde er seinen Arbeitsbereich pünktlich verlassen. Rasch sammelte er das Laub zusammen, stellte den Rechen ordentlich abgewischt in den Schuppen und schloss diesen mit Nachdruck, damit die Tür nicht wieder aufsprang.

Die Hausgenossen aus seinem Wohnblock hatten schon öfter den Versuch gemacht, etwas Freude in sein Leben zu bringen. Für heute hatten sie sich eine besondere Überraschung ausgedacht. Er selber fand diese Ideen ziemlich blöd und hielt sich in Sachen weibliches Geschlecht auch eher für den sogenannten Elefanten im Porzellanladen. Aber der Spielverderber wollte er auch nicht sein. Schnell zog er sich die Arbeitshose aus und das Flanellhemd, machte sich etwas frisch und schlüpfte in die mitgebrachte Kleidung. Etwas Rasierwasser. Fertig.

Seine Bekannten hatten verraten, dass es mit Musik zu tun hätte und dass heute der Tag wäre, auf dem Glitzer auf sein Leben regnen würde. Er schloss seinen kleinen Fiat Punto auf und fuhr auf die Straße. Doch statt Glitzer erwischte ihn ein richtiger Verkehrskollaps und Gewittergrollen schickte nachfolgend den Regenguss des Jahres auf die Erde hernieder. Vierzig Minuten hing er in dieser Situation fest. Das passte wieder! Was hatte er eigentlich verbrochen, dass das Glück nach wie vor einen Bogen um ihn machte? Manchmal kam er sich vor wie ein schwarzes Schaf.

Viel später als vorgesehen, erreichte er endlich den Ort, der sein Leben so verändern sollte. Er nahm das vorgesehene Accessoire aus dem Handschuhfach. Fuhr sich mit dem Kamm durch das Haar und spannte das Gummi der Papiermaske um seinen Kopf. Aus dem Spiegel blickte ihm im Dämmerlicht des Abends eine Eule entgegen. Auf ins Gefecht, Nachtvogel!, sprach er sich selber Mut zu. Dann wollen wir mal sehen, welche aufregenden weiblichen Waldtiere heute hier äsen.

Er öffnete die Tür der Tanzschule. Noch bevor er seine Bekannten erblickte, wurde er geblendet von der Anmut des schlanken Rehes, das sich hinter der entsprechenden Maske versteckt hielt. Irgendwoher kam ihm das Geschöpf bekannt vor. Erst jetzt registrierte er die Tangomusik, die ihn umschwirrte. Mehrere maskierte Paare hatten sich bereits zum Tanz gefunden.

Kurt verschwand lieber zwischen seinen Kollegen im Schatten der Bar. Das war etwas für Nachteulen, aber nicht für ihn. Und Tango konnte er schon mal gar nicht. Kaum gedacht, stupste ihn etwas an der Schulter.

Braune Rehaugen blinzelten unter der Maske hervor. Sein Puls nahm an Fahrt auf. Konnte das tatsächlich sein?

»Kurt …«

Wie zärtlich sie seinen Namen hauchte.

»Frau Blatter …«

In Gedanken regnete Glitzer nieder, während er die verstohlenen Blicke der grinsenden Zaungäste zu ignorieren versuchte. Jetzt musste er nur noch zusehen, dass ihr pubertärer Bengel nicht an seinem Rock hängen blieb.

Und sein Arbeitgeber, ja, der würde mit Sicherheit einen neuen Gärtner einstellen müssen …