Licht auf den Weg bringen

 

Er drängt sich nicht auf. Ist nicht auf Augenhöhe. Sitzt bald versteckt in dem schmalen Eingang gegenüber dem prächtigen Dom. Der alte Mann. In seiner Hand ein Becher mit einigen Münzen. Er blickt mich an, als ich mich nähere. Ein gezeichnetes, aber kein verbittertes Gesicht. Die Falten des Lebens überziehen es.

Meine Hand findet zwei Euro in der Hosentasche. Sein Lächeln begleitet mich den Rest des Tages.

Wie viele Menschen mögen allein heute an ihm vorbeigehen?

Seinen Anblick streifen, auf dem Weg zum x-ten Glühwein, zu Reibekuchen mit Apfelmus, Krustenbraten und Champignons. Paradiesapfel. Heißem Kakao mit Schuss.

Bestimmt sind viele Menschen spendabler in dieser Zeit vor Weihnachten, achten mehr auf andere, die unserer Hilfe bedürfen, sich über einen Blick freuen, über einen Euro, ein Gespräch.

Sind sie einfach aufmerksamer oder plagt sie das schlechte Gewissen? Ich kenne beides. Manchmal muss man sich bücken, um zugewandt zu sein, ein Bekenntnis abzugeben. Die Perspektive wechseln. In seinem Tempo innehalten.

 

Szenenwechsel.

Ein besonderes Bistro, ein ganzes Stück vom Aachener Dom entfernt. Pfannenzauber. Einfach und doch mit liebevoller Deko eingerichtet. Die Speisekarte bietet eine erste Überraschung. Die Mitarbeiter stellen sich ausführlich selbst vor. Machen keinen Hehl aus Besonderheiten wie Asperger Syndrom oder ungewöhnlichen Verhaltensweisen.

Ich finde es gut. Und sehe, dass sie ihren Arbeitsplatz mögen. Die Vorstellung hilft, dass die Gäste nicht irritiert sind von Mimik und Gesten, die sie ansonsten womöglich nicht einordnen können.

Beim Hinausgehen bleibe ich lesend an einem DINA4- Blatt hängen. Darüber stecken Gutscheine. Für eine Suppe. Für einen Auflauf. Für eine kalte Platte.

Kalte Platte. Augenblicklich bin ich wieder mit meinen Gedanken bei dem lächelnden Bettler in Domnähe.

Eine einfache Handreichung des Bistros. Nicht nur in der Adventszeit. Die Möglichkeit zu einer warmen Mahlzeit, einem Gespräch.

Es kann so leicht sein.

Im Kerzenlicht fülle ich einen Gutschein aus. Ich darf einen persönlichen Gruß hinzufügen.

Vielleicht ist er es, der den Gutschein bekommt. Und dem die warme Mahlzeit etwas Licht schenkt. In dieser Zeit. Oder in einer anderen, wenn die guten Vorsätze wie bald jedes Jahr schon wieder in Vergessenheit geraten. Leider.